
hinsehen. побачити. double take
Kateryna Lysovenko, Masha Pryven
12.3.– 14.5.2023
„hinsehen“ führt die ukrainischen Künstlerinnen Kateryna Lysovenko (*1989 Kyiv) und Masha Pryven (*1988 Luhansk) zusammen. Beide Künstlerinnen thematisieren in unterschiedlichen Medien und Herangehensweisen den aktuellen Angriffskrieg russlands auf ihr Heimatland. Die Malerin Kateryna Lysovenko stellt persönliche und gruppenbezogene Gefühle in einen kollektiv-historischen Kontext Europas, indem sie Wesen aus Fabeln und Mythologie einbezieht. Während die Fotografin Masha Pryven Zeugnisse individueller Schicksale zu einem Bilderatlas sich wiederholender Kriegs- und Fluchterfahrungen zusammenfügt.
Kateryna Lysovenko zeigt im Kunstverein Grafschaft Bentheim drei großformatige Acrylmalereien und acht Wasserfarbmalereien auf Papier. Für die Künstlerin ist die Malerei eine zweite Stimme, in welcher sie Traumata mit Hilfe von Fantasiefiguren und Traumszenarien zum Ausdruck bringt. Der Schrecken des Krieges kriecht durch die Augen eines Frauenporträts, eine Fußspitze balanciert auf einem Totenschädel, eine nackte Frau hält eine abgetrennte Fischhälfte in den Armen. Kateryna Lysovenkos Bildwelten setzen sich aus Chimären, Emotionen, Sprach- und Sinnbildern zusammen, die meist eine ambivalente Lesart anbieten. So befinden sich ihre Protagonist*innen zwar in unangenehmen oder unheimlichen Situationen, doch wirken sie durch ihren direkten Blick und ihren selbstbewussten Auftritt weder wie reine Opfer noch durch ihre Offenheit und damit Verletzlichkeit wie entfernte Held*innen. In ihren Symbolen und aufgeladenen Stimmungen verbindet die Künstlerin zugleich Geschichtsbewusstsein sowie ein anti-patriarchales und fürsorgendes Weltverständnis.
Masha Pryvens Arbeit „Sehe was ich sehe“ (2022 – fortlaufend) ist eine Art Archiv, das aus einem engen Netzwerk zwischen der Künstlerin und rund 30 Einzelpersonen besteht. Seit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 haben Ukrainer*innen und Unterstützer*innen innerhalb und außerhalb der Ukraine spontane globale Netzwerke gebildet, die Menschen bei der Flucht helfen und humanitäre sowie militärische Hilfe leisten. Aus diesen Kontakten, mit denen sich Masha Pryven vor allem über soziale Medien austauscht, entstand die Idee der Fotografin ihre Smartphone-Fotos und die damit verbundenen Erlebnisse zu sammeln. Dabei nehmen die persönlichen Kontakte Einfluss auf die Sammlung, indem sie bestimmte Bilder schicken und werden damit zu Co-Archivar*innen. Masha Pryven präsentiert die Fotografien zusammen mit ausgewählten Nachrichten, chronologisch und nach thematischen, narrativen und ästhetischen Gesichtspunkten geordnet. Aus den Zeugnissen der Einzelschicksale entsteht eine besondere Form der Kriegsfotografie, die zugleich für die moderne Kommunikation steht, zu der die meisten Menschen der Gegenwart eine enge physische und psychische Verbindung haben.
In der Ausstellung „hinsehen“ trifft die Authentizität des direkt vermittelten Blicks in Masha Pryvens Werk auf die fantastische Realität der Malerei von Kateryna Lysovenko. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Repräsentation von Krieg in der bildenden Kunst immer wieder hinterfragt. Wo liegen ihre ethischen und ästhetischen Grenzen? Beide Positionen dieser Ausstellung zeigen den radikalen Ausdruck von Menschen, die die Erfahrung des Kriegs gemacht haben und in einem Kollektiv handeln.
Die Wandfreilegung im hinteren Teil des Kunstvereins Grafschaft Bentheim zeigt die jüngere Geschichte des Kunstvereins und des Ortes Neuenhaus und ist zugleich Weltgeschichte. Hinter der größten Wand des Kunstvereins ist der letzte Teil der Wandcollage des syrischen Künstlers Khaled Al Saai aus dem Jahr 2016 zu sehen, die den Krieg und die Fluchtbewegungen in seiner Heimat thematisiert. Auch der Krieg in der Ukraine und seine Geflüchteten wecken Erinnerungen an das Jahr 2015 mit seiner großen Migration aus Syrien. Gleichzeitig wirkt der Krieg russlands in Syrien im selben Jahr wie eine Übung für den heutigen Terror gegen die Zivilbevölkerung in der Ukraine – der damals keine nennenswerten Sanktionen des Westens nach sich zog. Eine weitere Parallele zwischen dem Krieg in Syrien und dem aktuellen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die Vernetzung und mediale Inszenierung durch Smartphones und soziale Medien. Das jüngste Erdbeben in Teilen der Türkei und Syriens hat den nicht enden wollenden Krieg in Syrien zumindest (kurzzeitig) wieder in den Fokus der Berichterstattung gerückt.
Das Programm zur Ausstellung:
Samstag, 11.3.2023, 17 Uhr
Gespräch mit Masha Pryven und Muriel Meyer (Künstlerische Leiterin). Anschließend Eröffnung der Ausstellung.
Freitag, 31.3. – Sonntag, 2.4.2023, 10-16 Uhr
Zweisprachiger Osterferienworkshop für Kinder aus der Ukraine und Deutschland im Alter von 10 bis 12 Jahren. Fotoprojekt nach Wendy Ewald: Gemeinsam mit der Fotografin Masha Pryven fotografieren die Kinder Dinge, die ihnen wichtig sind. Dabei lernen sie, ihre Umgebung mit einzubeziehen, ihre Gefühle und ihre Situation zu beschreiben und auszudrücken.
Samstag, 1.4.2023, 19:30 Uhr
Dialogisches Gespräch über Kunst und Kultur nach dem Zweiten Weltkrieg: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch", dieses oft missverstandene Zitat von Theodor W. Adorno dient als Ausgangspunkt, um weniger über konkrete Kunst (-werke), dafür ausführlicher über eine Kultur und ihre Voraussetzungen zu sprechen, die "Auschwitz und Ähnliches" ermöglicht. Eingeleitet und moderiert von Tammo Jansen (Philosoph aus Osnabrück und Mitinitiator des philosophischen „Wurzeltisches" in der Kunsthalle Lingen).
Sonntag, 2.4.2023, 16 Uhr
Präsentation der Fotoarbeiten aus dem Kinderworkshop. Abschlussempfang für Eltern, Freund*innen und Interessierte.
Samstag, 22.4.2023, 16 Uhr
„Kunst für alle“: Johanna Balderhaar (Kunstlehrerin am Lise Meitner Gymnasium und Vorsitzende des Kunstverein Grafschaft Bentheim) gibt eine Einführung in die Ausstellung „hinsehen“. Dieses Format ist für alle gedacht, die sich fragen, wie Kunst eigentlich funktioniert und vielleicht auch bisher nicht viele Berührungspunkte mit Kunst hatten.
Sonntag, 23.4.2023, 16 Uhr
„Kunst up Platt“: Johanna Balderhaar (Kunstlehrerin am Lise Meitner Gymnasium und Vorsitzende des Kunstverein Grafschaft Bentheim) gibt auf Plattdeutsch eine Einführung in die Ausstellung „hinsehen“. Dieses Format ist für alle gedacht, die etwas über die Ausstellung erfahren möchten und über Plattkenntnisse verfügen.
Sonntag, 14.5.2023, 15 Uhr
Gespräch zur Finissage mit Anna Filippova (Kunstkritikerin, Kuratorin, Kulturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Traumata) und Masha Pryven (Künstlerin), moderiert von Muriel Meyer (Künstlerische Leiterin).
Die Ausstellung und das Programm werden gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie die Stadt- und Samtgemeinde Neuenhaus.

Kateryna Lysovenko, Masha Pryven
12.3.– 14.5.2023
„hinsehen“ führt die ukrainischen Künstlerinnen Kateryna Lysovenko (*1989 Kyiv) und Masha Pryven (*1988 Luhansk) zusammen. Beide Künstlerinnen thematisieren in unterschiedlichen Medien und Herangehensweisen den aktuellen Angriffskrieg russlands auf ihr Heimatland. Die Malerin Kateryna Lysovenko stellt persönliche und gruppenbezogene Gefühle in einen kollektiv-historischen Kontext Europas, indem sie Wesen aus Fabeln und Mythologie einbezieht. Während die Fotografin Masha Pryven Zeugnisse individueller Schicksale zu einem Bilderatlas sich wiederholender Kriegs- und Fluchterfahrungen zusammenfügt.
Kateryna Lysovenko zeigt im Kunstverein Grafschaft Bentheim drei großformatige Acrylmalereien und acht Wasserfarbmalereien auf Papier. Für die Künstlerin ist die Malerei eine zweite Stimme, in welcher sie Traumata mit Hilfe von Fantasiefiguren und Traumszenarien zum Ausdruck bringt. Der Schrecken des Krieges kriecht durch die Augen eines Frauenporträts, eine Fußspitze balanciert auf einem Totenschädel, eine nackte Frau hält eine abgetrennte Fischhälfte in den Armen. Kateryna Lysovenkos Bildwelten setzen sich aus Chimären, Emotionen, Sprach- und Sinnbildern zusammen, die meist eine ambivalente Lesart anbieten. So befinden sich ihre Protagonist*innen zwar in unangenehmen oder unheimlichen Situationen, doch wirken sie durch ihren direkten Blick und ihren selbstbewussten Auftritt weder wie reine Opfer noch durch ihre Offenheit und damit Verletzlichkeit wie entfernte Held*innen. In ihren Symbolen und aufgeladenen Stimmungen verbindet die Künstlerin zugleich Geschichtsbewusstsein sowie ein anti-patriarchales und fürsorgendes Weltverständnis.
Masha Pryvens Arbeit „Sehe was ich sehe“ (2022 – fortlaufend) ist eine Art Archiv, das aus einem engen Netzwerk zwischen der Künstlerin und rund 30 Einzelpersonen besteht. Seit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 haben Ukrainer*innen und Unterstützer*innen innerhalb und außerhalb der Ukraine spontane globale Netzwerke gebildet, die Menschen bei der Flucht helfen und humanitäre sowie militärische Hilfe leisten. Aus diesen Kontakten, mit denen sich Masha Pryven vor allem über soziale Medien austauscht, entstand die Idee der Fotografin ihre Smartphone-Fotos und die damit verbundenen Erlebnisse zu sammeln. Dabei nehmen die persönlichen Kontakte Einfluss auf die Sammlung, indem sie bestimmte Bilder schicken und werden damit zu Co-Archivar*innen. Masha Pryven präsentiert die Fotografien zusammen mit ausgewählten Nachrichten, chronologisch und nach thematischen, narrativen und ästhetischen Gesichtspunkten geordnet. Aus den Zeugnissen der Einzelschicksale entsteht eine besondere Form der Kriegsfotografie, die zugleich für die moderne Kommunikation steht, zu der die meisten Menschen der Gegenwart eine enge physische und psychische Verbindung haben.
In der Ausstellung „hinsehen“ trifft die Authentizität des direkt vermittelten Blicks in Masha Pryvens Werk auf die fantastische Realität der Malerei von Kateryna Lysovenko. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Repräsentation von Krieg in der bildenden Kunst immer wieder hinterfragt. Wo liegen ihre ethischen und ästhetischen Grenzen? Beide Positionen dieser Ausstellung zeigen den radikalen Ausdruck von Menschen, die die Erfahrung des Kriegs gemacht haben und in einem Kollektiv handeln.
Die Wandfreilegung im hinteren Teil des Kunstvereins Grafschaft Bentheim zeigt die jüngere Geschichte des Kunstvereins und des Ortes Neuenhaus und ist zugleich Weltgeschichte. Hinter der größten Wand des Kunstvereins ist der letzte Teil der Wandcollage des syrischen Künstlers Khaled Al Saai aus dem Jahr 2016 zu sehen, die den Krieg und die Fluchtbewegungen in seiner Heimat thematisiert. Auch der Krieg in der Ukraine und seine Geflüchteten wecken Erinnerungen an das Jahr 2015 mit seiner großen Migration aus Syrien. Gleichzeitig wirkt der Krieg russlands in Syrien im selben Jahr wie eine Übung für den heutigen Terror gegen die Zivilbevölkerung in der Ukraine – der damals keine nennenswerten Sanktionen des Westens nach sich zog. Eine weitere Parallele zwischen dem Krieg in Syrien und dem aktuellen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die Vernetzung und mediale Inszenierung durch Smartphones und soziale Medien. Das jüngste Erdbeben in Teilen der Türkei und Syriens hat den nicht enden wollenden Krieg in Syrien zumindest (kurzzeitig) wieder in den Fokus der Berichterstattung gerückt.
Das Programm zur Ausstellung:
Samstag, 11.3.2023, 17 Uhr
Gespräch mit Masha Pryven und Muriel Meyer (Künstlerische Leiterin). Anschließend Eröffnung der Ausstellung.
Freitag, 31.3. – Sonntag, 2.4.2023, 10-16 Uhr
Zweisprachiger Osterferienworkshop für Kinder aus der Ukraine und Deutschland im Alter von 10 bis 12 Jahren. Fotoprojekt nach Wendy Ewald: Gemeinsam mit der Fotografin Masha Pryven fotografieren die Kinder Dinge, die ihnen wichtig sind. Dabei lernen sie, ihre Umgebung mit einzubeziehen, ihre Gefühle und ihre Situation zu beschreiben und auszudrücken.
Samstag, 1.4.2023, 19:30 Uhr
Dialogisches Gespräch über Kunst und Kultur nach dem Zweiten Weltkrieg: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch", dieses oft missverstandene Zitat von Theodor W. Adorno dient als Ausgangspunkt, um weniger über konkrete Kunst (-werke), dafür ausführlicher über eine Kultur und ihre Voraussetzungen zu sprechen, die "Auschwitz und Ähnliches" ermöglicht. Eingeleitet und moderiert von Tammo Jansen (Philosoph aus Osnabrück und Mitinitiator des philosophischen „Wurzeltisches" in der Kunsthalle Lingen).
Sonntag, 2.4.2023, 16 Uhr
Präsentation der Fotoarbeiten aus dem Kinderworkshop. Abschlussempfang für Eltern, Freund*innen und Interessierte.
Samstag, 22.4.2023, 16 Uhr
„Kunst für alle“: Johanna Balderhaar (Kunstlehrerin am Lise Meitner Gymnasium und Vorsitzende des Kunstverein Grafschaft Bentheim) gibt eine Einführung in die Ausstellung „hinsehen“. Dieses Format ist für alle gedacht, die sich fragen, wie Kunst eigentlich funktioniert und vielleicht auch bisher nicht viele Berührungspunkte mit Kunst hatten.
Sonntag, 23.4.2023, 16 Uhr „Kunst up Platt“: Johanna Balderhaar (Kunstlehrerin am Lise Meitner Gymnasium und Vorsitzende des Kunstverein Grafschaft Bentheim) gibt auf Plattdeutsch eine Einführung in die Ausstellung „hinsehen“. Dieses Format ist für alle gedacht, die etwas über die Ausstellung erfahren möchten und über Plattkenntnisse verfügen.
Sonntag, 14.5.2023, 15 Uhr
Gespräch zur Finissage mit Anna Filippova (Kunstkritikerin, Kuratorin, Kulturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Traumata) und Masha Pryven (Künstlerin), moderiert von Muriel Meyer (Künstlerische Leiterin).
Die Ausstellung und das Programm werden gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur sowie die Stadt- und Samtgemeinde Neuenhaus.