Nadia Perlov
Deadlift
29.9. – 15.12.2024
Der Kunstverein Grafschaft Bentheim freut sich, neue Arbeiten der in Frankfurt lebenden israelischen Künstlerin Nadia Perlov (*1990) zu präsentieren. „Deadlift" – eine Teildisziplin des Kraftdreikampfs – erforscht die komplizierte Geschichte des Jerusalemer Mamilla-Friedhofs und zeichnet ein Porträt seiner umstrittenen Umwandlung von einer heiligen muslimischen Begräbnisstätte in ein Hotel und das „Museum of Tolerance Jerusalem“. „Deadlift" bietet Perspektiven auf den anhaltenden Machtkampf, die Überschneidungen zwischen historischer Auslöschung, Antisemitismus und der Verdrängung palästinensischen Lebens.
Nadia Perlov hat vier große Skulpturen, die „Giants", in den Raum gestellt, die sich jeweils auf einen der Orte, Architekturen oder Charaktere konzentrieren, die auf diesem kulturellen Schlachtfeld und im "Transitional Justice" Prozess eine Rolle spielen. Die skulpturalen Installationen bestehen aus Regalsystemen, die Archivboxen, Bodybuilding-Objekte und Gipsabgüsse von Kulturgütern enthalten. Sie evozieren das Bild eines Archivs, das durch leere Räume, Prothesen und eine Performance körperlicher Übungen gekennzeichnet ist, die Fragen zum Ausstellen und zur Verdrängung aufwerfen.
Der erste „Giant" ist der verlassene Friedhof von Mamilla selbst, dessen Überreste von der Natur und der neoliberalen Stadtgesellschaft überwuchert werden. Er steht für die Auslöschung der Erinnerung, den Verlust der Kultur und die Unterdrückung des palästinensischen Lebens. Seit 1948 befindet sich Mamilla auf der jüdischen Seite der kulturell geteilten Stadt Jerusalem. Heute beherbergt der vernachlässigte Friedhof den Unabhängigkeitspark, ein Luxushotel, eine Schule, die Energie- und Abwasserinfrastruktur der Stadt und seit 2004 das „Museum of Tolerance (and Human Dignity) Jerusalem".
Die zweite Skulptur verkörpert das historische Palace Hotel, das heute von einer großen Hotelkette als Luxushotel betrieben wird, und erinnert an seinen Erbauer Mohammed Amin Al-Husseini, der während der britischen Mandatszeit zum Großmufti von Jerusalem ernannt wurde. Als führende Persönlichkeit des muslimischen Glaubens schuf er posthum den rechtlichen Präzedenzfall für die Schändung der muslimischen Begräbnisstätte, indem er Bauprojekte wie das Palace Hotel beförderte. Außerdem setzte er sich vor der Gründung Israels gegen das zionistische Rückkehrrecht für Jüd*innen ein und kollaborierte mit dem Nazi-Regime.
Der dritte „Giant" ist Arnold Schwarzenegger, der in die jüngste Geschichte von Mamilla verwickelt ist. Er verkörpert den postmodernen Helden, der sein Trauma, das durch die katastrophale Zuspitzung der europäischen Moderne im deutschen Nationalsozialismus verursacht wurde, durch Stärke überwindet. Seine physische Stärke drückt er seit langem im Bodybuilding aus, seine performative Stärke lebt er als Hollywood-Schauspieler, seine politische Stärke übte er als 38. Gouverneur von Kalifornien aus, und seine mentale Stärke setzt er im Kampf gegen Antisemitismus und in seinem Engagement für Israel ein, wobei er akzeptiert oder nicht erkennt, dass er dabei ein Agent kultur-politischer Unterdrückungstaktiken ist.
Die vierte Skulptur dreht sich um das höchst umstrittene Projekt des „Museums of Tolerance Jerusalem“, das seit Anfang der 2000er Jahre auf dem Gelände von Mamilla geplant wurde und nun als Gebäude existiert, aber noch immer nicht komplett für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Das Museum soll die Toleranz zwischen Menschen und Kulturen fördern, steht aber auf den Überresten einer der wichtigsten kulturhistorischen Begräbnisstätten des Islam. In ihrer Ausstellung setzt Nadia Perlov Skulptur, Video, Zeichnung und Fotocollage ein, um die Instrumentalisierung von Erinnerung und Konzepte von Toleranz zu hinterfragen.
Das Programm zur Ausstellung:
Samstag, 28.9.2024, 17 Uhr
Eröffnung
Grußwort
Johanna Balderhaar (1. Vorsitzende)
Grußwort
Carl-Hendrik Staal (Ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Neuenhaus)
Einführung
Muriel Meyer (Künstlerische Leiterin)
Sonntag, 29.9.2024, 15 Uhr
Kuratorinnenführung mit Muriel Meyer
Sonntag, 20.10.2024, 11 Uhr
Künstlerinnengespräch & Brunch
Mit Nadia Perlov und Muriel Meyer
Sonntag, 3.11.2024, 15 Uhr
Sonntag, 1.12.2024, 15 Uhr
Rundgang über den Jüdischen Friedhof in Neuenhaus
Mit Christa Pfeifer (Mitbegründerin und 1. Vorsitzende des Fördervereins Günter Frank Haus Neuenhaus, Vorstandsmitglied kvgb)
Anmeldung erforderlich: +49 5941 98019 oder info@kvgb.de
Kunstverein Grafschaft Bentheim
Hauptstraße 37
49828 Neuenhaus
Kuratiert von Muriel Meyer
Gefördert von:
Stiftung Kunstfonds, Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Stadt- und Samtgemeinde Neuenhaus, Material für Alle Frankfurt am Main